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Lese- und Rechtschreibprobleme | ||
vorübergehende Schwierigkeiten | überdauernde Schwäche | |
vorübergehende Lese-Rechtschreibschwierigkeiten z.B. durch Krankheit, Schulwechsel, seelische Belastungen, Übungsmangel, Methodenfehler (zu rasches Fortschreiten im Unterricht) | ausgeprägte Lese-Rechtschreibschwächen bei deutlich besseren Lernvoraussetzungen: Legastheniker | Lese-Rechtschreibschwächen im Rahmen allgemeiner Minderbegabung |
Schüler mit vorübergehenden
Schwierigkeiten sind für den Besuch einer Grundschule zwar nicht zu schwach begabt, haben aber bei knapp durchschnittlicher Intelligenz Schwierigkeiten mit dem Lesenlernen und dem Rechtschreiben, - kommen häufiger aus Elternhäusern, die nicht helfen können - haben i.R. keine Schullaufbahnprobleme, sofern sie lesen gelernt haben. |
Die eigentlichen Legastheniker müssen Teilleistungsschwächen kompensieren, laufen Gefahr, durch die Lese-Rechtschreibschwäche zunehmend auch in den Sachfächern nicht zurechtzukommen, da sie z.B. Textaufgaben in Mathematik nicht lesen können. |
Allgemein minderbegabte Schüler lernen alle schulischen Fertigkeiten (Lesen, Schreiben, Rechnen) schwer, - gehören einer sehr kleinen Gruppe an. |
Helfen können ein konsequent durchgeführter, langsamer Leselehrgang und später ein zusätzliches Rechtschreibtraining. | Legastheniker brauchen ein spezielles Training, das ihre jeweiligen Teilleistungsschwächen berücksichtigt, damit ihr Bildungsanspruch auf eine Schullaufbahn, die ihren intellektuellen Fähigkeiten entspricht, nicht gefährdet ist. | Die für diese Kinder notwendige Hilfe findet sich in einem auf zwei Schuljahre gedehnten Leseunterricht in der Sonderschule (bzw. EK) oder Förderschule für allgemein Lernbehinderte (bzw. KKL) |
Man schätzt, dass 5 - 15% eines Jahrganges
davon betroffen sind; die schwankenden Angaben sind darauf
zurückzuführen, dass nicht immer Einigkeit darüber herrscht, ab wann
eine "richtige" Legasthenie besteht,
ob also nur die "schweren" oder bereits die "leichten" Fälle
dazugerechnet werden sollen.
Fehler | Erläuterung |
Wortbildschwäche | Das Kind kann sich nicht erinnern oder kann sich nicht vorstellen, wie das Wort, das es schreiben möchte, aussehen soll; es kann sich sehr wohl "Wasser" denken, stumm vor sich hinsagen und wissen, was es bedeutet, aber wie es von dem Lautwort "Wasser" zu dem Schriftwort "Wasser" gelangen soll, das ist ein Hindernisrennen. |
Lautunterscheidungsschwäche | Das
Kind kann die einzelnen Laute nicht aus dem Wort heraushören ("Gicht" statt "Geschichte"), oder es kann ähnlich klingende Laute nicht unterscheiden (g-k, ü-ö). |
Optische Differenzierungsschwäche | Das Kind kann die kleinen visuellen Unterschiede nicht wahrnehmen (c-o. m-n, fein-kein). |
Raumorientierungsschwäche | Das Kind ist sich nicht sicher, wie der Raum nach oben / unten, rechts / links usw. aufgeteilt ist, welche Lage die Buchstaben haben (b-d, p-q, b-p). |
Verbindungsschwäche | Das Kind kann die Buchstaben nicht lautierend zusammenschleifen (Hund wird nicht zu "Hund" verschmolzen); auch der Übergang von Druck- zu Kursivschrift kann entsprechend schwerfallen. |
Sequenzschwäche | Das Kind kann nur schwer Reihen lernen und einhalten; es fällt ihm schwer, die Monate in Reihenfolge aufzusagen, das Alphabet oder das Einmaleins zu lernen, beim Hören, Lesen oder Schreiben die richtige Buchstabenfolge wahrzunehmen ("Schale" statt "Lasche", "Biene" statt "Beine", "Gärten" statt "Gräten"). |
Erste Phase der Legasthenieforschung: um die vorige Jahrhundertwende; Forschung erfolgte vornehmlich durch Mediziner, und zwar in Form von Einzelfalldarstellungen. Von Morgan & Hinchelwood stammt z.B. der Begriff angeborene Wortblindheit; da man bei den Betroffenen keine anderen "Störungen" bemerkte, nahm man an, dass die Ursache in einem Defekt im "Lesezentrum im Gehirn" liegen müsste, deshalb auch der Begriff kongenitale Wortblindheit bzw. kongenitale Legasthenie.
Begriff Legasthenie 1916 von Budapester Neurologen Paul Ranschburg erstmals thematisiert. Da er diesen Begriff v.a. für leichte Fälle verwendete, während er schwere Fälle automatisch als Hilfsschüler abqualifizierte, wird dieser Begriff heute in der Forschungsliteratur eher vermieden, und statt dessen der Begriff Lese-Rechtschreib-Störung verwendet. (In angloamerikanischer Literatur: Dyslexia oder reading disability).
Davon
abzugrenzen ist die Lese-Rechtschreib-Schwäche:
Diese Bezeichnung
trifft auf Kinder zu, die vorübergehende Probleme beim Lesen und
Schreiben haben, z.B. aufgrund eines Schul- und
Wohnortwechsels, familiärer Probleme oder einer vorübergehenden
psychischen Erkrankung. In den 60er und frühen 70er
Jahren erlebte die Legasthenieforschung einen grossen Boom im deutschen
Sprachraum. Grundlegend war damals die
Auffassung, dass es qualitative Unterschiede gibt zwischen den
Schriftsprachproblemen von Legasthenikern und Kindern mit
allgemeinen Schulleistungsschwierigkeiten. Dadurch wurden spezifische
Bedingungsmerkmale mit Legasthenie in Verbindung
gebracht, die für allgemeine Lese-Rechtschreibschwächen nicht gelten
oder für schulische Leistungen in anderen
Bereichen als dem Schriftspracherwerb unwichtig sein sollten.
In den späten 70 Jahren erfolgte eine radikale Kritik am gängigen Legastheniekonzept, es gab methodische Kritik an der Legasthenieforschung. Es erfolgte eine abrupte Abkehr vom Legastheniekonzept, statt dessen gab es nur noch Kinder mit "Lese-Rechtschreibschwäche"; es wurde nicht mehr nach Ursachen unterschieden. Seit ca. 10 - 15 Jahren Renaissance der Legasthenieforschung, nicht zuletzt auch durch die neuesten Befunde und Möglichkeiten der Hirnforschung, die Erkenntnisse ermöglichte, die zuvor bestenfalls hypothetische Gedankenspiele waren.