LegasthenieFörderung

backnext

Welche Möglichkeiten der Unterstützung gibt es für betroffene Kinder im Vorschulalter?

Diagnose und Förderung sprachbezogener Wahrnehmungsleistungen:
Folgende fünf Wahrnehrnungsbereiche sind essentiell für das Lesenlernen am Schulanfang:

1.

Die phonematisch-akustische Differenzierungsfähigkeit (ein Phonem gleich ein Sprechlaut):
Phonematische Differenzierungsleistungen entscheiden darüber, ob ein Kind klangähnliche, aber bedeutungsunterscheidende Sprechlaute aus dem Redestrom herauszuhören vermag. Wörter wie Bahn / Bein, Uhr / Ohr, Tasche / Tasse, backen / baden u.a. stellen enorme Anforderungen an das phonematische Gehör. Durch das Erraten von Geräuschen , das Heraushören von bedeutungsunterscheidenden An-, In- und Auslauten und andere Hörübungen lässt sich das phonematische Unterscheidungsvermögen relativ gut verbessern. Bestimmte Formen des Stammeins (das Kind spricht z.B. "detomnen" statt "gekommen") beruhen auf der Unfähigkeit, die selbst gesprochenen Laute sicher zu erkennen.

2.

Die sprechmotorisch-kinästhetische Differenzierungsfähigkeit
Mängel in diesem Bereich sind ein schweres Handikap für das Sprechen, Schreiben und Lesenlernen. Die Reihenfolge der Laute, ihre Vollständigkeit und normgerechte Artikulation hängen weitgehend von dieser Fähigkeit ab. Sprechmotorische Präzision ist auch eine wesentliche Voraussetzung für das Sprachgedächtnis. Eine vorbeugende Förderung der sprechmotorischen Voraussetzungen ist relativ gut möglich, weil z.B. Lippen- und Zungenturnen, Blasübungen wie Kammblasen, Seifenblasen, Wattepusten und so genannte "Zungenbrecher" den Kindern viel Spass machen.

3.

Die intonatorisch-melodische Differenzierungsfähigkeit
Von ihr hängt ab, ob das Kind und der Kommunikationspartner einander verstehen. Ausserdem drücken die Melodieführung und die Betonung beim Sprechen Gefühle und Einstellungen aus. Diese Merkmale sind für das Mitdenken und Erfassen der Bedeutung von Sätzen wichtig. Derselbe Satz, z.B. "Ich komme gleich", einmal in beruhigendem Ton, einmal mit drohendem Unterton gesprochen, hat entsprechend unterschiedliche Bedeutung. Es kommt eben nicht nur darauf an, was gesagt wird, sondern auch darauf, wie es gesagt wird. Die Förderung beginnt mit der Freude am Singen, Musizieren und Tanzen. Sie wird durch jede Form der musikalischen Früherziehung unterstützt.

4.

Die rhythmische Differenzierungsfähigkeit
Ohne sie kann die inhaltlich-logische Gedankenführung eines Textes nicht erkannt werden. Rhythmus gliedert und strukturiert einen entfalteten Gedanken, sichert das Verständnis für Zusammenhänge. Ein scherzhaftes Beispiel dafür sind die Sätze "Der Lehrer, sagt der Schüler, ist eine Esel" und "Der Lehrer sagt, der Schüler ist ein Esel". In gewisser Weise kommen diese Beziehungen auch für mathematische Basisleistungen in Betracht. Aus Längsschnittuntersuchungen geht hervor, dass mathematisch überdurchschnittlich befähigte Schüler im Vorschulalter über eine besonders gute rhythmische Differenzierungsfähigkeit verfügen. Diese Fähigkeit sagt zukünftigen Lernerfolg mit hoher Wahrscheinlichkeit voraus.
Rückstände im Niveau der rhythmischen Differenzierungsfähigkeit lassen sich nur schwer überwinden. Mit spektakulären Fördererfolgen ist nicht zu rechnen. Besonders nützlich sind Übungen, die in der Einheit von melodisch-rhythmisch-motorischer Aktivität vollzogen werden. Solche Übungen bilden den Kernbestand jeder vorbeugenden Förderung zur Einschränkung von unerwarteten Lernschwierigkeiten im Anfangsunterricht.

5.

Die optisch-graphomotorische Differenzierungsfähigkeit
Um Lautsprache in Schriftsprache und Schriftsprache in Lautsprache umsetzen zu können, benötigt der Schulanfänger ein entsprechendes Niveau der optisch-graphomotorischen Differenzierungsfähigkeit. Nur dann kann das Kind auffällige und unauffällige Details bei der Unterscheidung, Aussonderung, Zuordnung und Gestaltung von Merkmalen der Form, Lage, Grosse, Länge, Dicke, Richtung, Farbe und Häufigkeit erkennen. Diese Leistungen werden v.a. für das Erkennen und Schreiben von Buchstaben benötigt. Sie bilden sich normalerweise vor Schuleintritt im Alltagsverhalten des Kindes heraus. Um Rückstände in diesr Differenzierungsleistung aufzuholen, sind Tätigkeiten wie Malen, Bauen, Basteln, Puzzlespielen, Fingerübungen, Sortierübungen u.a. sehr nützlich.

Funktionen nicht isoliert üben!

Es geht bei der vorbeugenden Förderung nicht um ein isoliertes Training für einzelne Sinnesbereiche (Sinnesschulung), sondern darum, im Spielalltag des Kindes die Tätigkeit mit Anforderungen anzureichern, welche die Genauigkeit der Wahrnehmung fördern und verbessern helfen. Eine spielerische Basisförderung stabilisiert und automatisiert auch die sprachbezogenen Wahrnehmungen. Unterstützt wird dies, wenn in der Förderung die Einheit von Tätigkeit, positiver Motivation und Sprechen verwirklicht wird. Ohne dass das Kind schreibt oder liest, wird es auf das Schreiben und Lesen vorbereitet.

In der konkreten Förderung ist daher immer zu beachten, dass jeder einzelne sprach bezogene Wahrnehmungsbereich zwar seine spezifische Funktion besitzt, aber zugleich ein Teil eines Bündels elementarer Lern Voraussetzungen ist. Die Übungen für einzelne Wahrnehmungsbereiche sollten daher immer eingebettet sein in sprachliche Situationen, in denen auch andere Wahrnehmungsbereiche beteiligt sind. Die Frühförderung der mit Sprache verbundenen Wahrnehmungsleistungen bedeutet zugleich auch eine Förderung der Konzentrationsfähigkeit und des Sprachgedächtnisses. Konzentrationsschwäche bei Schülern ist oft nicht der primäre Ausgangspunkt für Lernschwierigkeiten, sondern die Folge unscharfer Wahrnehmungen für die Informationsverarbeitungen.

Der Erfolg einer vorbeugenden Förderung hängt nicht nur von ihrer didaktischen Gestaltung ab. Ebenso wichtig ist die Atmosphäre, in der sie sich vollzieht. Es kommt darauf an, wie die psychosozialen Grundbedürfnisse des Kindes nach Liebe, Geborgenheit und Zuneigung, nach Bestätigung, Anerkennung und Hilfe, nach Erkenntnisgewinn, Lern- und Erfahrungszuwachs, nach Selbsterfahrung und Freiräumen befriedigt werden.

Beispiele für Förderübungen

Ergänze die Silben. Welche passt zum Bild?

Fi-
Fei-
 
Fa-
Ka-
 

Programm für Kinder im Vorschulalter

An dieser Stelle sei verwiesen auf folgendes :
Petra Küspert & Wolfgang Schneider (1999); Hören, lauschen, lernen Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter; Vandenhoeck & Rupprecht

Dabei handelt es sich um einen Übungsplan, bei dem für insgesamt 20 Wochen verschiedene Aufgabensätze zu verschiedenen Bereichen der Sprecherziehung zusammengefasst wurden. Ein zentrales Konzept stellt hierbei die sog. "phonologische Bewusstheit" (= Zuordnung von Buchstaben zu Lauten beim Rechtschreiben, oder umgekehrt die Zuordnung von Lauten zu Buchstaben beim Lesen, erfolgt auf der Basis von Korrespondenzregeln, die je nach Lauttreue der Sprache unterschiedlich streng sind) dar. Täglich sollten zehn Minuten mit den betroffenen Kindern geübt werden. Insgesamt gibt es sechs Aufgabenkategorien, die aufeinander aufbauen:

1. Lauschspiele
2. Reime
3. Sätze und Wörter
4. Silben
5. Anlaute
6. Phoneme